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Der mörderische Aufstieg des Jean-Baptiste Grenouille

von Johannes Kramb

Patrick Süskind (*1949) ist ein deutscher Schriftsteller und Drehbuchautor, der durch seinen bisher einzigen Roman "Das Parfum" (1985) internationale Bekanntheit und Wohlstand erlangte. Der zwischenzeitliche Geschichtsstudent aus Bayern, dessen Vater auch schon Schriftsteller war, tritt jedoch kaum an die Öffentlichkeit. Bilder oder Interviews sind eine Mangelware und die zahlreichen Literaturpreise lehnte er ab. Zu der Weltpremiere der Verfilmung "Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders" in München erschien er ebenfalls nicht. Das beeinflusst jedoch den Erfolg seines Meisterwerkes nicht. 20 Millionen Verkäufe in 48 Sprachen sprechen eine deutliche Sprache. "Das Parfum" zählt zudem zu den erfolgreichsten Romanen des 20. Jahrhunderts und dient als Aushängeschild der Epoche der Postmoderne (1970-2000).

Paris im Jahre 1738. Die Stadt, die Straßen, jede Gasse stinkt. Doch besonders schlimm ist der Fischmarkt, auf dem Jean-Baptiste Grenouille eines morgens geboren wird. Die Mutter, die ihn jedoch mit dem Fischabfall entsorgen will, da sie kein weiteres Kind möchte, wird geschnappt und wenig später wegen versuchter Kindstötung hingerichtet. Grenouille kommt zu verschiedenen Ammen, jedoch geben diese Jean-Baptiste schnell wieder zurück mit der Begründung, er habe keinen Eigengeruch und sei vom Teufel besessen. Schließlich kommt er über Umwege zu Madame Gaillard, deren Arbeit es ist Waisenkinder aufzunehmen und großzuziehen. Schnell wird Grenouille jedoch ausgeschlossen, da er den anderen Kindern unheimlich und komisch vorkommt. Er erkundet alles, riecht an allem, was er sieht, merkt sich jeden Geruch und sieht die komplette Welt aufgrund seiner Gabe, die feinste Nase der Welt zu besitzen, ganz speziell und eigen. Als Jean-Baptiste verspätet Sprechen lernt, kommt er zu dem Gerber, unter dem er hart arbeiten muss. Das macht ihm aber nichts aus, da er sehr zäh und nicht kleinzukriegen ist. Eines Tages riecht er auf einmal einen Geruch, der ihm unbekannt ist. Noch nie zuvor roch er so etwas Gutes. Er folgt seiner Nase und gelangt zu einem Mirabellenmädchen. Grenouille schleicht sich heran und erwürgt sie, um ihren Duft zu extrahieren und zu besitzen. Doch dieser Duft verfliegt aufgrund des Leichengestanks relativ schnell und Grenouille muss nun lernen, wie man Düfte extrahiert und konserviert. Als er das schließlich bei Baldini, einem Parfumeur aus Paris, erlernt und ihm so, wegen seiner genialen Nase, ein Vermögen und zahlreiche Kunden beschert, zieht er weiter nach Grasse, die Stadt des Parfums, um die Fähigkeiten der Konservierung zu perfektionieren. Das Konservieren von menschlichem Geruch gelingt ihm nämlich bei Baldini nicht. Auf dem Weg nach Grasse, bemerkt er die menschenlose, gutriechende Natur Frankreichs und erfährt hier erstmals, dass er selber keinen Eigengeruch hat. In Grasse angekommen gelingt es ihm heimlich unter Marquis, einen menschenähnlichen Duft zu erschaffen. Aufgrund dessen Qualität wird er erstmals in der Gesellschaft akzeptiert und jeder, der es riecht findet, ihn sympathisch. Ihm ist es gelungen den Eigengeruch von Menschen zu konservieren und in ein Parfum zu verwandeln. Das macht ihn genial und abscheulich zu gleich. Im Laufe der Zeit bringt er zahlreiche junge Frauen um, um an ihren Duft zu gelangen, extrahierte diesen und kommt somit der Verwirklichung seines Lebensziels immer ein Stück näher. Das Kreieren eines einzigartigen, genial riechenden Dufts, der jeden Menschen alle Sorgen vergessen lassen wird. Um dies zu erreichen, fehlt jedoch zu den drei Grundnoten des Parfums jetzt nur noch eine zusätzliche besondere Note, die das Parfum von allen abhebt. Er trifft in Grasse auf Laure, die seiner Ansicht nach die perfekte Essenz in sich trägt, um das ultimative Parfum fertigzustellen. Die auffällig vielen Morde in Grasse, die immer gleich abliefen, lassen Laures Vater keine Ruhe, weshalb er beschließt mit seiner Tochter zu fliehen, um sie zu beschützen. Der genialen Nase Grenouilles entgeht dies natürlich nicht und er verfolgt beide. Als er sie findet, ist es ein Leichtes sein letztes Opfer umzubringen. Nach dem Tod Laures, wird Grenouille jedoch auf dem Weg zurück nach Grasse erwischt und festgenommen und zum Tode verurteilt. Bei der Zeremonie der Hinrichtung trägt Grenouille jedoch sein nun perfektes Parfum auf. Alle Anwesenden sind hin und weg, finden ihn sympathisch und erklären ihn schließlich für unschuldig. Grenouille erreicht durch den Geruch seines Parfums und dessen Aura ein derart hohes Ansehen in der Gesellschaft und macht alle Sorgen vergessen. Jean-Baptiste geht zurück nach Paris, zu dem Fischmarkt, auf dem sein mörderischer Aufstieg begann. Er erkennt, dass er nur aufgrund seines Duftes beliebt ist, und schüttet es sich über den Kopf. Alle drehen sich um und kommen Grenouille immer näher, bis sie schließlich über ihn herfallen und ihn auf der Stelle aufessen, um ein Teil von ihrem "Engel" zu besitzen.

So endet der Roman Süskinds und die Geschichte eines einsamen, nicht geliebten Mannes, der für Akzeptanz in der Gesellschaft alles tun würde und letztendlich auch tat.

Der aus der Postmoderne, in der man häufig auf alte Traditionen und Antihelden, die außerhalb der Gesellschaft standen, stammende Roman lässt sich in vier große Bereiche einteilen: Sein Kindesalter, seine Lehre, sein Lebenswerk und sein Tod. Auffällig im gesamten Buch ist die immer wiederkehrende sehr detaillierte Beschreibung aller Aktionen, was dem Leser genaue Informationen zu den Personen und den Techniken des Parfumeurs liefert. Jedoch wirken diese Details manchmal etwas zäh. Anders jedoch könnte man sich nicht in Grenouille hineinversetzen. Süskind will außerdem, dass der Leser selbst ins Geschehen mit einbezogen wird und sich Gedanken macht, was durch häufige Verwendung von Reflexivpronomen deutlich wird. Die Geschichte, die auktorial erzählt wird, beschäftigt sich größtenteils mit Grenouille selbst. Nebencharaktere werden nur kurz angerissen und danach nie wieder erwähnt, was ersichtlich wird durch die Tatsache, dass viele Nebencharaktere nach dem Kontakt mit Grenouille starben. Die Erzählung ist alles andere als linear. Es gibt viele Zeit- und Ortssprünge, zudem ändert sich das Erzählverhalten ständig. Mal Zeitdeckung, mal Zeitdehnung oder Zeitstreckung. Das gesamte Buch verfolgt einen stark antithetischen Grundgedanken, was allein die Tatsache zeigt, dass der Mann mit der besten Nase der Welt "am allerstinkendsten Ort" geboren wird und dort auch stirbt. Zusätzlich zu dem genialen Geruchssinn hat er keinen eigenen Geruch.

Alles in allem ist dieses Werk von Patrick Süskind eine sehr spannende, tragische, fast düstere, aber trotzdem leicht verständliche Geschichte eines kaltblütigen Mörders, in dessen Gedankenwelt man in diesem Buch einen starken Einblick gewährt bekommt. Parallel bekommt man außerdem detaillierte Beschreibungen der damaligen Umstände und des Berufs des Parfumeurs. Wer trotz dieses Lobes kein Interesse an diesem Buch hat, dem kann ich die Verfilmung aus dem Jahr 2006 sehr empfehlen, welche sie sehr authentisch und spannend gemacht ist.