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Hast du die Courage?

von Vanessa Trapp

Mutter Courage und ihre Kinder von Bertolt Brecht - Ein Drama mit 12 Szenen, 103 Seiten, viel Dialekt und mehreren Gesangseinlagen.

“Die armen Leut brauchen Courage. Warum, sie sind verloren. Schon daß sie aufstehn in der Früh, dazu gehört was in ihrer Lag. (...) Schon daß sie Kinder in die Welt setzen, zeigt, daß sie Courage haben, denn sie haben keine Aussicht. Sie müssen einander den Henker machen und sich gegenseitig abschlachten, wenn sie einander da ins Gesicht schaun wolln, das braucht wohl Courage. Daß sie einen Kaiser und einen Papst dulden, das beweist eine unheimliche Courage, denn die kosten ihnen das Leben.” – Mutter Courage

Es ist das Jahr 1624. Der Glaubenskrieg zwischen Protestanten und Katholiken ist im vollen Gange. Die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Gütern ist im kriegsgeplagten Schweden kaum noch möglich. Die Menschen dort sind verschiedensten Krankheiten und Seuchen ausgeliefert oder müssen den Hungertod erleiden. Elend und Armut ziehen sich mit dem Krieg durchs ganze Land. Überlebende wünschen sich nichts sehnlicher als Frieden. Durch diese hoffnungslose Welt zieht Anna Fierling, auch bekannt als Mutter Courage, mit ihrem Planwagen und den 3 Kindern Eilif, Schweizerkas und Kattrin.

Mutter Courage ist - wie sie selbst sagt - ihres eigenen Glückes Schmied. Im Gegensatz zu allen anderen setzt sie nicht alle Hoffnung auf Gott, sondern nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand und lernt, aus dem Krieg ihren Nutzen zu ziehen. Als geschickte Händlerin verdient sie mit dem Verkauf von allen möglichen Waren an Soldaten ihren Lebensunterhalt. Der Friede bedeutet für sie der Ruin.

Die Kinder sind wortwörtlich komplett in das Geschäft mit eingespannt. Sie dürfen den Wagen mitsamt Mutter und Waren obendrauf ziehen. Bereits zu Beginn aber beschließt der älteste Sohn die Familie zu verlassen und als Soldat im Krieg zu kämpfen. Später wird er für seinen Dienst im Krieg totgeschlagen. Der zweite Sohn Schweizerkas gerät bei dem Versuch, Familie und Geld vor Soldaten zu retten einige Jahre später in Gefangenschaft und stirbt, weil Mutter Courage zu lange zögert, das Geld für seine Freilassung zu zahlen. Die Handlung endet mit dem Tod Kattrins, als sie von Soldaten von einem Dach geschossen wird, während sie ihre evangelischen Nachbarn mit Trommellärm warnen will. Mutter Courage führt ihr Leben nach dem Tod ihrer Kinder einfach fort und macht weiter ihre Geschäfte im und mit dem Krieg.

In diesem Drama muss man sich oft eine bestimmte Frage stellen: Wieso verteidigt eine Frau den Krieg, obwohl genau der ihre drei Kinder getötet hat?

Brecht versucht mit diesem Drama den Lesern klar zu machen, dass der Krieg alle menschlichen Tugenden tödlich werden lässt. Dementsprechend ist für die Bekämpfung des Krieges kein Opfer zu groß ist. Mutter Courage scheint aus ihren Erfahrungen nicht viel gelernt zu haben und die zerstörerische Kraft des Krieges nicht zu erkennen. Letztendlich sind es ihre Kinder, die für ihre Vergehen mit dem Tod bezahlen.

Mutter Courage

Sie ist die Protagonisten in dem Stück. Ihre drei Kinder hat sie von drei verschiedenen Männern bekommen. Sie ist und war schon immer auf sich alleine gestellt und ist deshalb auf die Hilfe und Unterstützung von außerhalb nicht angewiesen. Egal wie viele Rückschläge sie erleidet, sie gibt niemals auf und lässt sich nicht unterkriegen. Achtung hat sie nur vor sich selbst und Vorschriften darf ihr gewiss keiner machen. Anfangs erscheint sie nur als die Profitsüchtige, aber später zeigen sich auch komplexere Facetten ihrer Person.

Sie ist nicht nur eine erfolgreiche Marketenderin, sondern auch eine fürsorgende Mutter, für die das Glück ihrer Kinder eigentlich an erster Stelle steht, auch wenn sie ihre Gefühle oft nicht wirklich in Worte fassen kann. Von Liebesbeziehungen hält Mutter Courage allerdings gar nichts. Sie ist sich über die Macht der Liebe bewusst und hält sich davon lieber fern, um sich ganz und gar auf ihr Geschäft konzentrieren zu können.

Bertolt Brecht verfasste das Drama 1938 im schwedischen Exil. Sein Ziel war es, den skandinavischen Ländern klar zu machen, dass man aus Kriegen keinen Profit machen kann, da es dabei immer Verlierer geben wird. Generell war Brecht ein bekennender Gegner des Krieges, was sich in unter anderem im Werk “Mutter Courage und ihre Kinder” zeigt. Er sprach das Elend seiner Zeit an und thematisierte die Probleme des Kapitalismus, um sein Publikum zum Nachdenken und Handeln anzuregen.

Wer schon immer mal mehr über den 30-Jährigen-Krieg erfahren wollte, sich auch für die Konflikte, die dabei zu bewältigen waren interessiert, vor den seltsamsten Arten von Dialekt nicht zurückschreckt und sich gerne spoilern lässt (Am Anfang jeder Szene steht ein Satz, der die ganze Szene zusammenfasst), sollte definitiv dieses Buch lesen.

Für alle, die sich lieber vorm Lesen drücken möchten, gibt es auch den gleichnamigen Film als Alternative.