Ein spannendes autobiografisches Werk
von Emil Spilger
Günter Grass, geboren 1927, war ein deutscher Schriftsteller von international anerkannter Größe. Er war Mitglied der Gruppe 47 ab 1957 und erhielt sogar einen Nobelpreis für Literatur im Jahre 1999. Sein in Paris verfasster Debütroman „Die Blechtrommel“ von 1959, welcher ihm die internationale Reichweite verschaffte, markiert zudem das zeitliche Ende eines seiner später erschienenen Werke von 2006. „Beim Häuten der Zwiebel“ erlangte auch prompt internationale Aufmerksamkeit und sorgte für hitzige Diskussionen in der Welt der Literatur. Das autobiografische Werk beinhaltet auf 500 Seiten die jungen Jahre des Autors bis hin zu seiner Zeit als Erwachsener. Das in die Postmoderne einzuordnende Buch erzählt von Günter Grass‘ Kindheit, in der er in recht ärmlichen Verhältnisse aufwachsen musste. Danach führt es den Leser durch die Jugend des Autors, der gleichzeitig der Protagonist der Geschichte ist. Er will mit 17 seinen Wehrdienst in der deutschen U-Bootflotte antreten, geht jedoch nach kurzem Hin und Her zu Waffen-SS. Dieses Kapitel ist auch dasjenige, welches für große Aufruhr und scharfe Diskussionen sorgte. Dazu jedoch später mehr. Im Laufe des Zweiten Weltkrieges landete Günter Grass als Infanterist im Dreieck Cottbus–Spremberg–Altdöbern und kämpfte dort gegen die vorrückenden Truppen der Sowjetunion. Diese prägende Zeit seines Lebens und auch die folgenden Jahre als Kriegsgefangener beschreibt er unter anderem auch in seinem Buch. Da „Beim Häuten der Zwiebel” eine Darstellung seines Lebens ist, bilden jedoch nicht nur geschichtliche Fakten den Inhalt des Buches. Grass zeigt auch seine psychischen Entwicklungen und Veränderungen, welche vor allem mit der Bildung und Formung seiner Persönlichkeit zu tun haben. Er legt bewusst den Finger in damalige Wunden und stellt sich komplett "unverschönert" dar. Sein Ziel ist es einen möglichst authentischen und genauen Einblick in seine damaligen Gedanken und Gefühle zu liefern, um einerseits dem Leser das Hineinversetzen zu vereinfachen, andererseits jedoch auch damit er selbst das damals Geschehene nochmal aufarbeiten und verarbeiten kann.
Die Zugehörigkeit des Buches zur Postmoderne sieht man eindeutig an den häufig geschlagenen Brücken zur Gegenwart und der modernen Schriftweise, auch wenn die Handlung sich schon vor geraumer Zeit abspielte. Zudem ist stilistisch noch ein wichtiges Merkmal hervorzuheben. Die zwei Rollen des „Ichs”. Auf der einen Seite stellt es die beschreibende und sprechende Instanz dar, jedoch ist es zugleich auch die beschriebene Instanz in der Handlung. Die beiden Formen nehmen eindeutig, durch unterschiedliche räumliche und zeitliche Faktoren geprägte, getrennte Positionen ein.
Jetzt nochmal zurück zu dem Kapitel, in dem er über seine Zeit bei der Waffen-SS schreibt und die damit einhergehenden Diskussionen. Als international bekannter Autor musste Günter Grass sich des Öfteren scharfen Anfeindungen und harter Kritik entgegenstellen, jedoch war er sehr schwer zu attackieren aufgrund seines großen Rückhalts und seiner kaum vorhandenen Angriffsfläche. Durch das Veröffentlichen von „Beim Häuten der Zwiebel” mit insbesondere dem Kapitel zu seiner Zeit in der Waffen-SS bot Grass seinen Gegner und Kritikern ein gefundenes Fressen. Sie behaupteten, dass ein solches Thema mit einem so heiklen geschichtlichen Hintergrund nicht auf eine solch unbeschwerte und konkrete Art und Weise, wie sie der Autor anwendete, behandelt werden könne. Grass argumentierte dagegen, dass er die Realität nicht verzerren wollte und bekannte sich zu seiner Geschichte, dem Beitritt in die Waffen-SS, und zudem auch schuldig. Gleichzeitig sagte er, dass es lächerlich seitens seiner Gegner und Kritiker sei, auf einen solchen wunden Punkt von Grass warten zu müssen, um einen Angriff auf ihn zu starten und dass sie sich vor der Veröffentlichung des Buches niemals mit reiner Wortgewalt gegen ihn hätten richten können. Die Gegenseite erwiderte diese Anschuldigungen mit dem Argument, die späten und berechneten Schuldgeständnisse seien nur Mittel zum Zweck mit der Absicht seine eigene Angriffsfläche zu verkleinern. Letztendlich kratzte dieser Disput jedoch nur eher wenig an dem internationalen Image von Grass.
Zuletzt stellt sich noch die Frage, inwiefern der Titel des Buches etwas mit dem Buch an sich zu tun hat. Hierfür gibt es eine ganz einfache Antwort, welche auf eine von Grass gewählte Metapher zurückzuführen ist. Er sieht die Darstellung seines Lebens wie das Häuten einer Zwiebel. Man kommt beim Häuten einer Zwiebel von einer Schicht zur nächsten und genau so hat der Autor versucht seine Geschichte aufzubauen. Er handelt eine Station seines Lebens nach der anderen ab und kommt nach einer fertigen Station bei einer neuen raus. Die einzelnen Stationen seines Lebens vergleicht er hierbei mit den Schichten einer Zwiebel.
Alles in allem hat das Buch einen sehr spannenden, fesselnden und zugleich informierenden Charakter, da der Leser sich wunderbar in die Rolle des jungen Grass hineinversetzen kann. Ich persönlich kann, auch wenn es sich an manchen Stellen etwas in die Länge zieht, nur empfehlen dieses Werk von Günter Grass zu lesen.