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Bericht von Carolina Noß

Am 27. August hieß es für mich Abschied nehmen. Denn da ging mein Flug nach Kanada. Bereits vor meiner Abreise hatte ich Kontakt mit meiner Gastfamilie. Wir schrieben uns Emails hin und her und hatten auch einmal miteinander gezoomt. Trotzdem war ich sehr aufgeregt. Vor allem auf meine Familie, sie schienen zwar echt nett zu sein, aber wer wusste, ob ich zu ihnen passen würde?
Ich flog mit einer Gruppe, die aus sieben Leute bestand. Wegen Corona konnte kein Erwachsener aus unserer Organisation mitfliegen, weshalb wir auf uns allein gestellt waren. Wie es kommen musste, verpassten wir unseren Anschlussflug von Vancouver nach Victoria, da wir fast zweieinhalb Stunden für unser Visum anstehen mussten. Zum Glück erwischten wir den letzten Flug des Tages und es gab noch genügend Sitze für uns alle. Sonst hätten wir auf dem Flughafen übernachten müssen.
Als wir dann endlich, abends um zehn, in Victoria gelandet waren, war bei uns allen die Erleichterung und Vorfreude riesig. Mein Gastvater holte mich vom Flughafen damals ab und spendierte mir erstmal eine Runde McDonald`s zum Abendessen. Wir unterhielten uns den kompletten Weg nach Hause und ich hatte sofort ein gutes Gefühl, dass wir uns sehr gut verstehen würden. Zu Hause angekommen hat mich dann meine Gastmutter erwartet und mir schnell noch das Haus gezeigt, bevor ich in mein Zimmer bin, alles ausgepackt habe und ins Bett gegangen bin.
99E84B25Am nächsten Tag lernte ich dann meine Gastgeschwister kennen. Außerdem erklärte man mir die Regeln und meine Aufgaben im Haushalt. Mit meinen Gastgeschwistern habe ich mich sofort gut verstanden und ich habe mit meinem kleinen Gastbruder erstmal eine Runde Fußball gespielt. Am Nachmittag fuhren sie mich dann zu meiner Schule und zeigten mir die Umgebung.
Ich hatte noch eine Woche Ferien, bevor die Schule wieder anfing. In dieser Woche organisierte unser Schulbezirk einige Aktivitäten für uns. Am ersten Tag gab es nur ein Kennenlernen in meiner Schule, wo man uns auch unsere Betreuer/ Ansprechpartner vorstellte. Die darauffolgenden Tage gingen wir auf den Skywalk, von wo man auf das Meer sehen konnte. Wir gingen bowlen, angeln und Kajak fahren. Bereits in dieser Woche habe ich sehr viele Leute kennengelernt und Freundschaften geschlossen. Außerdem hat das geholfen, weil man dann in den ersten Tagen in der Schule schon einige Leute kannte.
Noch bevor ich mich versah, war die erste Woche vorüber und der erste Schultag stand vor der Tür. Was mich wirklich überrascht hatte, war, wie schnell das alles selbstverständlich für mich geworden ist. Schon nach einer Woche in Kanada war es für mich völlig normal hier zu sein und bei meiner Gastfamilie zu wohnen. Auch wie meine Gastgeschwister um mich herum agierten, als wäre ich deren großen Schwester, hat mich sehr positiv überrascht.
Der Ort, in dem ich lebte, hieß Duncan. Es war ein Ort in der Nähe des Meeres und bis auf die miserablen Busverbindungen hat es mir dort sehr gut gefallen.
Meine Schule war die Cowichan Secondary School. Kurz CowHigh (Cowichan Highschool), eine Schule mit 800 Schülern von der 10. bis zur 12. Klasse. Der erste Tag in der Schule war dann etwas ungewöhnlich. Erstmal wurde ich von einem dieser gelben Schulbusse abgeholt und mit anderen Kindern in die Schule gefahren worden. Dort trafen sich alle Schüler auf der Wiese neben der Bushaltestelle und wir bekamen alle unsere Stundenpläne. Dort hat man jedes Semester vier Kurse, die man frei wählen kann. In einem gewissen Rahmen, es gibt einige Vorgaben, welche Fächer man in einem Schuljahr belegen muss, zum Beispiel Englisch, Mathe, Sport…, aber solange man diese Vorgaben erfüllt, kann man quasi entscheiden, welche Kurse man sonst nimmt. IMG 4530
Leider konnte ich meine Kurse nicht selbst wählen, aber ich hatte sehr viel Glück. Ich hatte als erstes Drama10, Rockclimbing10, Woodwork10 und creative wrtiting12 (englisch). Allerdings habe ich nach ungefähr einem Monat einen Kurs gewechselt, von Drama nach Mathe. Sollte einem ein Fach nämlich nicht gefallen, kann man, wenn es geht, umwählen.
Wie man bereits gemerkt hat, ist nicht alles toll. Ich weiß noch am Anfang, wie genervt ich in Drama war. Alle Leute saßen nur an ihren Handys, passten nicht auf und schrien rum. Ich war super genervt und wollte nur weg. Es hat sich zwar mit der Zeit verbessert, aber ich kam trotzdem einfach nicht mit der Klasse klar und habe mich dann entschieden zu wechseln.
Bis auf das hat es mir aber von Anfang an Spaß gemacht. Mein Kletterlehrer hat den Unterricht total spannend und lustig gestaltet. Auch wenn ich ihn manchmal verflucht habe, wenn wir mal wieder ein Bauchmuskel-Workout machen oder 10 Minuten am Stück rauf und runter klettern mussten. Er hat mir sehr viel beigebracht und mein Spaß am Klettern hat sich nochmal gesteigert. Außerdem hat er es geschafft, dass ich mich in dieser kurzen Zeit um einiges weiterentwickelt habe.
In Woodwork haben wir nach einer Einführung in die Regeln und Maschinen angefangen, mehrere Projekte zu machen. Für jedes Projekt hatten wir eine bestimmte Zeit und danach wurde es benotet. Nach mehreren vorgegebenen Einstiegsprojekten durften wir am Ende dann selbstständig arbeiten. Ich muss sagen, dass Woodwork mir echt viel Spaß gemacht hat und ich fände es richtig cool, wenn es solche Fächer auch in Deutschland in der Schule gäben würde. Ich könnte mir jedenfalls vorstellen, das als Hobby weiterzumachen.
In Englisch war ich am Anfang ziemlich überfordert. Es war eine Klasse für die elfte, aber hauptsächlich für die zwölfte Jahrgangsstufe. Mit meinen 14 Jahren und als 10 Klässler war ich somit die jüngste. Da Englisch nicht meine Muttersprache ist und ich am Anfang noch Schwierigkeiten hatte den Unterricht mitzuverfolgen, war es echt hart für mich. Man spezialisiert sich in diesem Kurs vor allem auf Lektüren und Geschichten schreiben. In meiner Zeit hier musste ich zum Beispiel ein „one act play“ und eine Kurzgeschichte schreiben. Aber nach einer Weile fiel es mir von Tag zu Tag leichter. Obwohl es mit der Zeit besser wurde, muss ich sagen, dass mir dieses Fach nicht sonderlich gefallen hat, da es für mich sehr langweilig war. Einfach nicht die Art von Interesse, die ich habe.
Nachdem ich zu Mathe gewechselt bin, kam ich in eine ganz kleine Klasse. Wir waren gerade mal fünf Schüler, wenn alle anwesend waren. Das war was ganz Neues für mich, auch wenn man mir versicherte, dass das eine Ausnahme ist und es normalerweise viel größere Klassen sind. Mein Mathelehrer war echt nett und hat mir auch manchmal erlaubt, Schulstoff aus Deutschland in seinem Unterricht zu machen, da ich alles, was sie in dem Kurs hatten, bereits in Deutschland im Unterricht hatte. Darüber war ich sehr froh, denn dann musste ich den Stoff nicht nachmittags in meiner Freizeit nachholen.
Mit meiner Gastfamilie kam ich wie bereits erwähnt sehr gut klar. Jeden Tag wurden sie mehr zu meiner Familie. Jeden Sonntag bin ich mit ihnen in die Kirche, wo wir auch deren Verwandte getroffen haben. Auch dort wurde ich sofort freundlich aufgenommen.
Es hat eine Weile gedauert, bis ich Freunde gefunden habe. Aber nach einiger Zeit hat sich dann unsere Gruppe gebildet. Wir haben Lunch time miteinander verbracht und uns oft nach der Schule getroffen. Da wir alle sehr sportbegeistert waren, sind wir sehr oft nach der Schule noch in die Kletterhalle gelaufen und sind bis spät abends geklettert.
Jeden Monat organisiert das International Office einen Ausflug für die Austauschschüler. Wir sind zum Beispiel nach Vancouver und auf eine Gruselfarm gefahren. Demnächst wird es Shopping in Victoria, Ski fahren, Wale beobachten und mehr geben. Diese Aktivitäten machen immer sehr viel Spaß und man lernt auch Austauschschüler aus anderen Schulen kennen. Dort fühlt man sich wie eine riesige Gemeinschaft, in der jeder seinen Platz hat. Das war immer ein sehr schönes Gefühl.
Die drei Monate gingen viel zu schnell vorbei. Man hatte das Gefühl sich gerade erst eingelebt zu haben und dann wieder gehen zu müssen. Es fiel mir ehrlich gesagt sehr schwer, wieder Tschüss zu sagen.
IMG 3094Ich könnte den ganzen Tag weiter von Kanada vorschwärmen. Aber um es kurz zu machen, ich war dort sehr glücklich. Ich liebe meine Gastfamilie über alles, mit meiner Gastschwester aus Japan habe ich schon ausgemacht, dass wir jeden Monat mindestens einmal telefonieren und mit meiner Gastmutter will ich auch regelmäßig schreiben. Meine anderen Geschwister waren alle superlieb und ich vermisse sie sehr. Sie haben alle einen speziellen Platz in meinem Herz und erinnere mich gerne an die Zeit mir ihnen. Meine Freunde vermisse ich auch sehr. Wir waren schon eine lustige Gruppe. Sie haben mir auch immer geholfen. Da viele von uns Austauschschüler waren, machten wir alle ungefähr das Gleiche durch und konnten uns gegenseitig unterstützen. Denn obwohl es sehr schön war, gab es natürlich auch Tage, an denen es einem nicht so gut ging und man Heimweh hatte. Es tat gut mit jemanden reden zu können, der wusste, wovon man sprach. Wir haben schon gesagt, dass wir in Kontakt bleiben wollen und uns dann irgendwann wiedersehen wollen. Vielleicht in Deutschland, in Kanada oder in Japan.
Abschließend will ich noch sagen, an alle da draußen, die auch mit dem Gedanken spielen ins Ausland zu gehen: Macht das! Die Erfahrungen, aber vor allem die Erinnerungen nimmt euch keiner. Ich habe gelernt, dass ich mehr schaffen kann, als ich mir zugetraut hätte. Und dass ich am Ende der drei Monate am liebsten für ein Jahr hätte bleiben wollen, hat mir gezeigt, dass ich angekommen bin und auch ohne mein vertrautes Umfeld sehr glücklich sein kann. Natürlich war nicht alles toll, vieles war anstrengend und natürlich hatte ich auch mal Heimweh, aber wenn im Großen und Ganzen das Positive überwiegt und man am Ende sich nur an die glücklichen Momente erinnern kann, dann, denke ich, war es insgesamt eine gute Zeit.
Ich will noch danke an alle sagen, die mich unterstützt haben, dass mein Plan ins Ausland zu gehen aufgegangen sind. Die Lehrer, die mir den Stoff geschickt haben, die Schule, die mir ohne großes Zögern die Befreiung gegeben hat, meine Eltern, dass sie an mich geglaubt und mich unterstützt haben, meine Schwester, die irgendwie immer wusste, wann ich eine ihrer aufmunternden Sprachnachrichten gebraucht habe, und meine Freunde, die extra lange wach geblieben sind, um mit mir zu telefonieren.