Talent im Land
HSG stellt Talent im Land - Betül Erensoy ist Ausnahmestipendiatin
Um die 100 Bewerber, 31 wurden ausgewählt! Betül ist eine der Auserwählten und das ist etwas ganz Besonderes. Nicht nur, weil das Bewerbungsverfahren für das Programm „Talent im Land“ (kurz TiL) durchaus sehr anspruchsvoll ist, sondern auch, weil Betül nun in den Genuss eines wirklich besonderen Stipendiums kommt. Deswegen war es auch nur selbstverständlich, dass die Zertifikate in einem feierlichen Festakt von der bayerischen Kultusministerin Anna Stolz überreicht wurden. Umrahmt wurde die Verleihung von diversen Musikbeträgen von TiL-Alumni sowie von einem Podiumsgespräch, an dem unter anderem der deutsch-türkische Schauspieler Adnal Maral teilnahm.
Das Programm „Talent im Land“ unterstützt begabte und engagierte Schülerinnen und Schüler aus Bayern, die aufgrund ihrer Lebensumstände mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind, um ihnen den Weg zu einer erfolgreichen Schulkarriere zu erleichtern. Zu den Auswahlkriterien gehören gute schulische Leistungen, Motivation, Leistungsbereitschaft und Zielstrebigkeit, außerschulische Ambitionen für Begabungsfelder wie Musik, Sport, Kunst oder Naturwissenschaften sowie soziales und gesellschaftliches Engagement. Dass Betül viele dieser Kriterien erfüllt, war uns klar und so kamen wir nur allzu gerne ihrem Wunsch nach einem Empfehlungsschreiben nach.
Betül erhält nun eine monatliche finanzielle Förderung für Bildungsausgaben und profitiert von einem breiten Seminar- und Workshop-Angebot zu Themen wie beispielsweise Rhetorik, Zeitmanagement, Theater und Studienorientierung. Zudem hat sie die Möglichkeit, an mehrtägigen Sommerakademien und Studienfahrten teilzunehmen. Nicht zu unterschätzen ist außerdem der regelmäßige Kontakt zu Gleichgesinnten. Sicherlich nicht umsonst wurde bei der Veranstaltung immer wieder von der „TiL-Familie“ geredet und die individuelle Beratung und Begleitung durch die Programmleitung, aber auch durch Alumini spielt eine große Rolle. Was man mit Hilfe des Programms erreichen kann, erzählte eindrucksvoll der Alumnus Hasan Al Samra, der mit 17 Jahren als unbegleiteter Jugendliche und ohne jegliche Deutschkenntnisse aus Syrien nach Deutschland kam. Inzwischen spricht er fehler- und akzentfrei Deutsch, hat ein abgeschlossenes Zahnmedizinstudium und beginnt gerade sein Studium der Humanmedizin.
Welchen Weg Betül einschlagen will, weiß sie noch nicht. Wir aber sind stolz auf unsere Stipendiatin und wünschen ihr viele wertvolle Erfahrungen.
Artikel: Karin Lange
Fotos: Martin Fröhlich
Blick ins HSG
Abi-Jahrgang 1974 feiert 50.
Sie sind im Schuljahr1965/66, als das Hermann-Staudinger-Gymnasium gegründet wurde und der Unterricht noch mit zwei Referendaren und einem Direktor im Rathaus Erlenbach stattfand, in die 5. Klasse gekommen. Nach drei Umzügen, in die Dr.-Vits-Grundschule, die Schule in Wörth und schließlich 1967 ins neu erbaute und noch nicht ganz fertige heutige Schulgebäude und neun Jahre später hat es sie nach der Zeugnisverleihung an den ersten Abiturjahrgang des HSG in alle Ecken der BRD gezogen.
Zum 50. Jahrestag kam der Abiturjahrgang 1974 jetzt zum Klassentreffen zurück nach Erlenbach und ließ sich am Feiertag die Schule zeigen, wie sie heute, 57 Jahre nach dem Erstbezug und nach einer ersten Generalsanierung, aussieht – nur die Turnhallen sind (noch!) so, wie sie schon damals waren.
„Im Bunker haben wir in der Unterstufe nach dem Unterricht auf der Baustelle des noch nicht ganz fertigen Schulgebäudes gespielt“, erzählt die einzig weibliche der Jubilare, die extra aus Hamburg den Weg nach Erlenbach gefunden hat.
HSG-Film
Jobshadowing
Erasmus+ zum Ersten
HSG Lehrerin fliegt zum Jobshadowing nach Oslo
Seit Juni 2023 darf sich das Hermann-Staudinger-Gymnasium Erlenbach Erasmus+ Schule nennen, da seit diesem Zeitpunkt das Erasmus Kurzzeitprojekt läuft, um das sich das HSG beworben hatte und das im Februar diesen Jahres bewilligt wurde. Bereits Ende des letzten Schuljahres haben sich Europa-begeisterte SchülerInnen in der neugegründeten Erasmus AG zusammengefunden und im September ihre Arbeit aufgenommen. Das Kurzzeitprojekt ermöglicht SchülerInnen und LehrerInnen insgesamt 30 Mobilitäten ins europäische Ausland.
Im Rahmen der Erasmus AG arbeiten die SchülerInnen des HSG mit europäischen Altersgenossen in Versailles und in der Bretagne seit Schuljahresbeginn digital zusammen. Dieses Projekt, das das gesamte Schuljahr überdauert, wird seinen Höhepunkt in realen Begegnungen im März, April und Juni finden.
Den analogen Startschuss im Rahmen von Erasmus+ gab die Sport- und Naturwissenschaftslehrerin Anja Ühlein. Als Erasmus+ Pionierin am HSG hat sie sich auf den Weg nach Oslo gemacht, um dort an der deutsch-norwegischen Schule eine Woche lang das Unterrichtsgeschehen hautnah mitzuerleben. Dieses von EU-Mitteln geförderte sogenannte „Jobshadowing“ soll dazu dienen, Schule und Unterricht in anderen europäischen Ländern kennenzulernen, sich mit KollegInnen auszutauschen, sich der Stärken und Schwächen der eigenen Schule und des eigenen Schulsystems bewusst zu werden und so Inspiration zur persönlichen und schulischen Weiterentwicklung zu erhalten.
Wenngleich im Rahmen eines Jobshadowing natürlich jede aufnahmewillige europäische Schule besucht werden kann, fiel die Wahl von Frau Ühlein ganz bewusst auf die Schule in Oslo. Der ehemalige HSG-Kollege Nils Roth ist dort stellvertretender Schulleiter und so konnten alle Absprachen auf dem kurzen Dienstweg erfolgen. Während ihrer Woche im deutlich kälteren und vor allem trüberen Oslo machte Frau Ühlein viele Unterrichtsbesuche und organisierte gemeinsame Treffen zwischen norwegischen und deutschen Schülern im Rahmen von Videokonferenzen. Ziel war es hier vor allem, eine zukünftige Kooperation der Roboterbau AG am HSG mit Arbeitsgruppen an der norwegischen Schule anzubahnen. Wie dies im Rahmen von Erasmus+ verstärkt und gefördert werden kann, diskutierten die Erasmus-Beauftragten des HSG StRin Anne ter Stal und StDin Karin Lange mit den norwegischen Schulleitern ebenfalls im Rahmen einer Videokonferenz.
Neben dem liberaler organisierten Ganztagsangebot und der höheren Beteiligung der SchülerInnen beim Sauberhalten des Schulhauses beeindruckte Frau Ühlein vor allem die der deutsch-norwegischen Schule ganz eigene gelebte Zweisprachigkeit. „Das ist schon faszinierend und vor allem von großem Vorteil für die SchülerInnen.“ Aber natürlich gab es auch Bereiche, in denen das HSG klar die Nase vorne hat. „Nach einer Woche belegter Brote wird einem bewusst, welch ein Segen Frau Becker mit ihrer so liebevoll geführten Mensa für das HSG ist.“ Unabhängig von allen schulischen Eindrücken kam schließlich noch eine eher geografische Erkenntnis hinzu: „Norwegen im Oktober ist ziemlich dunkel! Aber bei Sonnenschein müssen die Inseln der Schärenwelt wirklich beeindruckend sein.“
Staudinger auf dem Prüfstand
Am 7.11.2023 traf sich die Schulfamilie in der Aula, um die Biografie von Hermann Staudinger mithilfe eines Themenabends auszuleuchten. Dabei zeichneten die hochkarätigen Referenten kein Schwarz-Weiß-Bild, sondern ließen eine Forscherbiografie vor unseren Augen entstehen, die vor allem von Grautönen geprägt ist.
Am Abend des 7.11. kamen SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen und Politiker zusammen, um neu über den Chemiker Hermann Staudinger nachzudenken. Nachdem Staudinger (1881-1965) bis in die jüngste Zeit vor allem als herausragender Forscher wahrgenommen wurde, der den Weg ins Kunststoffzeitalter bahnte, wird die Forscherbiografie angesichts neuerer Quellenfunde inzwischen auch politisch ausgedeutet. Nachdem Herr Prof. Dr. Stickler (Universität Würzburg) die Rolle der Hochschullehrer im sog. Dritte Reich erläuterte, stellte Herr Prof. Dr. Speck (Universität Freiburg) die Biografie Staudingers vor. Schwer auf dem Andenken Staudingers wiegen dabei die Vorwürfe, sich zwischen 1933 und 1945 antisemitisch geäußert zu haben und an kriegswichtigen Forschungen beteiligt gewesen zu sein. Die Professoren bewerteten Staudingers zu verurteilende Grenzüberschreitungen wie folgt: Einerseits äußerte sich Staudinger antisemitisch, andererseits setzte er sich jedoch auch für sog. „Halbjuden“ in der Wissenschaft ein. Zwar forschte er auch zu kriegswichtigen Themen, jedoch ist seine Bedeutung in der Kriegswissenschaft eher als gering einzuschätzen. Staudinger, der im Ersten Weltkrieg als mutiger Pazifist hervortrat, wurde im Jahr 1933/34 aufgrund seiner Überzeugungen von den Nationalsozialisten unter Druck gesetzt, indem ihm die Entlassung aus dem Hochschuldienst angedroht wurde. Staudinger, so die Professoren, passte sich in den folgenden Jahren an, ohne aber wichtige Positionen, wie zum Beispiel seine Verurteilung des Gaskriegs, zu verraten. Mitschuldig an der Zeit zwischen 1933 und 1945 machte er sich wie Millionen andere jedoch ebenfalls.
In der abschließenden Diskussion, in der sich alle Anwesenden beteiligten konnten, wurde auf die Rolle von Vorbildern in unserer Gesellschaft eingegangen. Während für den Kreisheimatpfleger Erik Erfurth der Nobelpreisträger Staudinger als Namensgeber der Schule eher nicht mehr in Frage kommt, diskutierten die beiden Professoren dies konstruktiver. Dr. Linduschka, der als Journalist für das Main-Echo berichtete, fasste in seinem Artikel vom 9.11.2023, die Stimmung unter den SchülerInnen und Eltern titelgebend für seinen Beitrag zusammen: „Der Schulname bleibt“.
Als Lehrer ist es unsere Überzeugung, dass man Denkmäler nicht unreflektiert hinnehmen sollte, sondern diese kritisch reflektieren muss. In diesem Sinn hat uns Staudinger heute noch viel zu sagen. Anhand seiner Lebensgeschichte stellen sich exemplarisch die Fragen nach der gesellschaftlichen Verantwortung der Naturwissenschaften und der Rolle des Einzelnen für das Ganze. Seit mehreren Jahren setzt sich das HSG nun schon intensiv mit diesem Erbe als didaktischer Aufgabe auseinander. Wir werden diese kritische Pädagogik fortsetzen, wozu uns dieser Themenabend viele Impulse lieferte.
Dr. Benjamin Heidenreich